1. Eine Festsetzung ist nur dann funktionslos, wenn die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in ihrer tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der die Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und dies in einem Grad erkennbar ist, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzungen gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt.
  2. Bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit einer Festsetzung reichen nicht aus. Sie tritt wegen nachträglicher Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn offenkundig ist, dass sie als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr tauglich ist.
  3. Aus dem Umstand, dass die Bauaufsichtsbehörde seit mindestens 30 Jahren keine „Gebietskontrolle“ mehr durchgeführt hat, folgt nicht, dass sie illegale gewerbliche Nutzungen geduldet hätte. Die schlichte Hinnahme eines baurechtlich illegalen Geschehens für eine längere Zeit hindert die Bauaufsichtsbehörde nicht, ihre bisherige Praxis zu beenden und auf die Herstellung baurechtmäßiger Zustände hinzuwirken.
  4. Von der Duldung einer illegalen baulichen Nutzung ist im Regelfall erst dann auszugehen, wenn die Bauaufsichtsbehörde in Kenntnis der Umstände zu erkennen gibt, dass sie sich auf Dauer oder für einen zum Zeitpunkt des Einschreitens noch nicht abgelaufenen Zeitraum mit der Existenz dieser Nutzung abzufinden gedenkt.
  5. Angesichts des Ausnahmecharakters und der weit reichenden Folgen einer Duldung, als deren Folge die Behörde an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert wäre, muss den entsprechenden behördlichen Erklärungen mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und gegebenenfalls über welchen Zeitraum die illegale bauliche Nutzung geduldet werden soll.
  6. Ein Baudienstleister mittlerer Größe mit Büroräumen, einer Lagerhalle nebst Wartungs- und Reparaturwerkstatt führt typischerweise zu Lärmimmissionen, die die Wohnruhe beeinträchtigten, und ist in einem allgemeinen Wohngebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig.
  7. Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.
  8. Die Jahresfrist ist keine Bearbeitungsfrist, sondern eine Entscheidungsfrist. Daher setzt der Fristbeginn u. a. voraus, dass sich die zuständige Behörde über die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts im Klaren ist.

-OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 02.08.2023 – 10 A 2918/21, nach ibr-